Tun oder Hören? Paulus und das Gesetz – und ein Blick auf Martin Luther
Jochen Flebbe
Abstrakt
Beobachtungen zu der Frage nach dem Gesetz bei Paulus und ein sich anschließender Blick auf Martin Luther können die Sicht auf das hermeneutische Erbe der Reformation schärfen. Im Anschluss an Gal 4,21 kann man für Paulus sagen: Die eine Tora ist gut, wenn man ihr mit Hören begegnet, und schlecht, wenn man sie tun will. ‚Hören‘ ist für Paulus dabei entsprechend den alttestamentlichen Beispielen von Ex 19,5 oder Dtn 6,4 ein protreptisches Hören auf den werbenden logos protreptikos, der auf eine grundsätzliche Existenzorientierung, aber gerade nicht paränetisch auf ein konkretes Tun abzielt. Intensional geht es Paulus um die ganze Tora, die allerdings extensional auf die Abrahamserzählung in paulinischer Interpretation und damit auf das auf das Hinzutreten der Völker zielende Glaubensprinzip reduziert wird. Dabei kann Paulus auch sagen, dass es um die allegorische, parallel mitlaufende eigentliche Bedeutung der Tora geht. Die Betonung des Hörens und die Frage der richtigen Art und Weise, der Tora zu begegnen, fi nden sich in den Paulusbriefen immer wieder. Diese Bestimmung der Tora als verheißender logos protreptikos, der gehört werden will, korreliert mit Martin Luthers Auffassung von einem Leben aus dem Hören auf die Schrift , mit dem bei Paulus wie bei Luther die grundlegende Unterscheidung von göttlicher und menschlicher Wirklichkeit verbunden ist. All dies lässt sowohl Paulus wie auch Luther zu mündigen Weltbürgern werden.
Flebbe, J. (2017). Tun oder Hören? Paulus und das Gesetz – und ein Blick auf Martin Luther. Rocznik Teologiczny, 59(4), 727–760. Pobrano z https://ojs.chat.edu.pl/index.php/rt/article/view/142